Bei Ordnungswidrigkeitsverfahren mit standardisierten amtlichen Geschwindigkeitsmessungen ist weiterhin keine Klarheit geschaffen, zu Ungunsten der Betroffenen.
In Sachen Einsichtnahme in gutachtertechnisch relevante Daten und Unterlagen, die der Gerichtsakte nicht zu entnehmen sind, zeigt sich die Urteilslage inkonsistent.
Unter anderem urteilten das OLG Dresden (Urteil vom 11.12.19, OLG 23 Ss 709/19 (B)) ; das LG Düsseldorf (Urteil vom 29.11.19, 53 Qs 72/19) und das LG Köln (Urteil vom 11.10.19, 323 Qs 106/19), dass der Betroffene im Bußgeldverfahren wegen der zu garantierenden „Parität des Wissens“ bzw. der „Waffengleichheit“ verlangen kann, „Einsicht in sämtliche existenten, zur Überprüfung der Messung erforderlichen Messunterlagen zu nehmen, und zwar auch, soweit sich diese nicht in den Gerichtsakten, sondern in den Händen der Verwaltungsbehörde befinden.“
Anderswo urteilte man, dass bei standardisierten Messverfahren kein Recht auf Einsicht in nicht bei der Akte befindliche Unterlagen besteht. „Die Rechte eines Betroffenen gehen nicht über den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht hinaus.“ (u. a. LG Zweibrücken 4.9.19, 1 Qs 45/19; AG Aurich 27.9.19, 60 OWi1636/19)
Insbesondere die sog. Rohmessdaten sind häufiger gerichtliche Streitgegenstände. Diese sind die vom Gerät gespeicherten Daten zu jeglichen Messungen und sollen gewährleisten, dass Messungen zu jederzeit nachträglich überprüfbar sind. Einige Gerichte sehen diese nicht als relevant hinsichtlich der Gültigkeit der Messung im Sinne standardisierter Verfahren. Gutachter und Rechtsanwälte bringen an, dass die Standardisierung der Messverfahren eben auf Grundlage der Prüfbedingungen des PTB und der Eichämter, der Herstellerangaben und der gesetzlichen Rahmen erfolgt sein muss und dass nur Rohmessdaten die Überprüfung des Messverfahrens hinsichtlich dieser Bedingungen ermöglichen. Wenn man die Beweislast umkehrt, indem man die Gültigkeit aller amtlichen Messverfahren als Standard erklärt und auf die strengen technischen, rechtlichen und formalen Kriterien verweist, dann – so würde man meinen – muss man eine Überprüfung auf diese zugrundeliegenden Kriterien ermöglichen.
Ohne Zweifel erweisen sich Versagungen der Einsicht in dermaßen relevante Daten als Verstöße gegen das Rechtsstaatprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), das allgemeine Freiheitsrecht (Art. 2Abs.1 GG) sowie das Gebot des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 GG). Auf eine Klärung aus Karlsruhe lässt sich noch warten.